Dominanz der Wenigen: Die digitale Monopolisierung unserer Gesellschaft

Die Monopolbildung der heutigen Digitalkonzerne schreitet unaufhaltsam voran. Meta, Amazon und Co. schöpfen einen Großteil der Gewinne ab und schränken den Wettbewerb ein. Doch warum lässt man diese Entwicklung zu? Und welche Folgen hat die riesige Macht in den Händen einiger Weniger für uns?


Geschichte wiederholt sich. So könnte die aktuelle Entwicklung unserer freien Wirtschaft bezeichnet werden. Digitalkonzerne wie Alphabet, Amazon und Meta konzentrieren immer mehr Marktmacht auf sich und bilden ein Oligopol. So sind sie in der Lage, einen Großteil der Gewinne abzuschöpfen und den Wettbewerb einzuschränken. Dieser Prozess schreitet immer weiter voran. Und das, obwohl wir es eigentlich besser wissen sollte.

Im 19. Jahrhundert war die Gesellschaft schon einmal mit diesen Dynamiken konfrontiert. Damals hießen die Personen an der Spitze J.P. Morgan, Carnegie und Rockefeller, welche vor allem durch Stahl und Öl zu den reichsten Menschen der Welt wurden. Die Magnaten hatten zu dieser Zeit solch einen unglaublichen Einfluss auf die Politik, dass selbst die damalige Entscheidung über den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg in ihren Händen lag. Ersetzt man nun Stahl und Öl durch Tech, und Carnegie und Rockefeller durch Zuckerberg und Bezos, bekommt man eine Idee davon, mit welchen Entwicklungen wir es heute erneut zu tun haben. Doch wie konnte es so weit kommen?


Die USA im 19. Jahrhundert – Eine Gesellschaft in den Händen einiger Weniger

Stellvertretende Magnaten des 20. Jahrhunderts: J.P. Morgan, Andrew Carnegie, John D. Rockefeller & Cornelius Vanderbilt

Laissez-faire! Abhängig vom Kontext, hat diese Phrase verschiedene Bedeutungen. In den USA des 19. Jahrhundert war die Bedeutung klar: Die Wirtschaft regelt sich selbst, deswegen lassen wir sie machen. Der Laissez-faire-Liberalismus war das vorherrschende Wirtschaftsmodell, eine extreme Form des Liberalismus, und befürwortete eine strikte Nichteinmischung des Staates in die Wirtschaft. Doch im Gegensatz zu heutigen wirtschaftsliberalen Theorien, sollten damals selbst das Schaffen von Preisstabilität und die Überwachung von Monopolbildung keine Aufgabenbereiche der Regierung sein. Ein Ansatz, der selbst Adam Smith zu radikal war.

Der rasante Aufstieg der USA zur führenden globalen Nation wird jedoch eng mit diesem System verknüpft. Vergessen sind die damals gravierenden gesellschaftlichen Ungleichheiten, Millionen von Menschen ohne lebenswürdige Unterkunft und wirtschaftlicher Selbstbestimmung – man schaut auf die 1%, die es durch eine Mischung aus Wagemut, Geschäftssinn, Rücksichtlosigkeit und Glück an die Spitze der Gesellschaft geschafft haben. Sie dienen als Vorbild für den amerikanischen Traum, wonach es jeder bis ganz an die Spitze schaffen kann.


Die eigentliche Realität in den USA im 19. Jahrhundert war weder traumhaft noch bedarf sie einer komplexen Analyse. Es handelt sich um die konsequente Dynamik, die einsetzt, wenn ein Staat das Privateigentum an Produktionsmitteln beschützt und sich aus allen sonstigen Vorgängen raushält – befeuert durch riesige Vorkommen an natürlichen Ressourcen und der Erschließung neuer Gebiete. Menschen, meist aus gesellschaftlich priviligierten Positionen, begannen mit der Akkumulation von Mitteln in ihrem Privatbesitz und es kam zur Monopolbildung.

So verhielt es sich auch bei John D. Rockefeller. Er wurde zum damals reichsten Mann der Welt, in dem er in Cleveland die Ölraffinerie Standard Oil kaufte und sich anschließend rücksichtslos seiner Konkurrenz entledigte. Er schaltete 30 lokale Konkurrenzraffinerien aus, durch eine diskrete Vereinbarung mit der Eisenbahngesellschaft über verbesserte Transportkonditionen. So konnte er seine Konkurrenz unterbieten und sie aufkaufen oder vom Markt verdrängen. Langfristige Folge: Die Standard Oil Company kontrollierte nach einigen Jahren 90% der Ölproduktion der USA und war mächtiger, als die amerikanische Regierung selbst. Somit konnte Rockefeller die Preise in die Höhe treiben und einen unvergleichlichen Reichtum anhäufen.

Eine ähnliche Entwicklung durchschritten Andrew Carnegie, J.P. Morgan, Henry Ford und einige weitere amerikanische Unternehmer in verschiedenen anderen Industriebereichen. 1914 glich die amerikanische Gesellschaft einer Oligarchie. Die Regierungsmacht war eingeschränkt, das Sagen hatten die wenigen Industriellen an der Spitze. Sie bestimmten den Kurs des Landes – bis zur Entscheidung, ob man sich an Weltkriegen beteiligt.

1914 brach der Erste Weltkrieg aus – für die meisten Menschen Grund zur Sorge, für die Wirtschaftselite Grund zum Geschäfte machen: Amerikanische Banken vergaben riesige Kredite an Großbritannien und Frankreich, welche vor allem für die Beschaffung von Munition und anderen Materialien benutzt wurden. J.P. Morgan wurde während des Kriegsverlaufs jedoch bewusst, dass diese Kredit im Falle einer Niederlage der Triple Entente verloren wären. Grund genug, dass die Regierung durch eine beispiellose Mobilisierungskampagne für Kriegsstimmung im Volk sorgte und die USA 1917 offiziell Konfliktpartei wurden.

Landship Recruit auf dem Union Square in New York City (1917)

Aus Fehlern lernen?

Die Wirtschaftsmagnaten der USA forcierten die Teilnahme am Ersten Weltkrieg und verdienten sich daran eine goldene Nase – Spätestens an diesem Punkt sickerte die Erkenntnis durch, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, um den Einfluss von Rockefeller und Co. zu begrenzen. Theodore Roosevelt schritt zur Tat und zerschlug Standard Oil in 34 Einzelgesellschaften. Diese Maßnahme blieb wirkungslos, da John D. Rockefeller die Aktien der Gesellschaften kurzerhand aufkaufte.

Dennoch war der Weg geebnet für mehr Regulierungen. Gewerkschaften gewannen an Macht und sorgten für bessere Arbeitsbedingungen. In der Wirtschaftskrise 1933 führte Franklin D. Roosevelt mit den „Liberalen“ (Unterstützer der Regulierung des Kapitalismus) den New Deal ein. Der Staat trat erstmals als Wirtschaftsakteur in Erscheinung und setzte Gemeininteressen gegenüber dem Profitstreben der Privatwirtschaft durch. Der Spitzensteuersatz wurde auf 79% erhöht. Zudem wurde eine Sozialversicherung und einen Mindestlohn eingeführt. Diese Maßnahmen brachten erhebliche soziale Verbesserungen und beschränkten Schritt für Schritt die Macht der Industriellen.

Nun ist keine Spielart des Kapitalismus vor regelmäßigen Erschütterung durch Wirtschaftskrisen geschützt – auch der regulierte Kapitalismus nicht. So kam es 1970 zur Ölkrise und langen Jahren der Rezession. Die perfekte Gelegenheit, um einen Kurswechsel hin zur erneuten Deregulierung durchzusetzen. Seitdem befinden wir uns wieder auf dem Weg der wirtschaftlichen Liberalisierung mit all seinen Folgen.

Warum dieser Weg erneut gegangen wird, wird in diesem Artikel näher beleuchtet. Fakt ist, diese Deregulierung konfrontiert uns nun mit den selben Monopolisierungsdynamiken, welche im 19. Jahrhundert beobachtet werden konnten, mit dem Unterschied, dass sich die Folgen durch die Globalisierung und Digitalisierung in Windeseile weltweit bemerkbar machen.


Auf zu neuen Monopolen!

Stellvertretende Tech-Milliardäre des 21. Jahrhunderts: Bill Gates, Mark Zuckerberg, Jeff Bezos

Seit 1970 sehen wir den Monopolisierungsprozess wieder stark beschleunigt. Das bescherte uns globale Tech-Giganten wie Amazon, Microsoft und Apple und eine neue Riege einflussreicher Einzelpersonen. Die Geschäftsmethoden sind nicht mehr Ölförderung und Stahlproduktion, sondern Tech in Form von digitalen Services, die Folgen sind aber die gleichen: Unglaublich viel Macht in den Händen einiger Weniger.

Die Gefahr hinter dieser Entwicklung wird dabei unterschätzt. Das Problem ist jedoch nicht, dass diese digitalen Dienstleistungen als Monopol organisiert sind. Das Problem ist, dass das Monopol in den Händen von gewinnorientierten Einzelpersonen liegt. Es ergibt Sinn, dass jeder Mensch die gleiche Suchmaschine, das gleiche Betriebssystem oder den gleichen Versandservice nutzt. Keinen Sinn hat es, dass diese quasi monopolartige Position der Unternehmen privat genutzt werden kann. Das widerspricht allen Regeln der marktwirtschaftlichen Theorie und führt obendrein zu massiver Ungerechtigkeit, zu einem Höhenflug der Ungleichheit.

Oft dienen die Milliardäre dennoch als Idealbeispiel für den Fortschritt unserer Gesellschaft. Dabei kommen die eigentlichen Innovationen und Erfindungen oft von staatlich geförderten Universitäten und Forschungseinrichtung. Die private Wirtschaft findet im Anschluss einfach nur einen Weg, wie man diese Innovationen kapitalisieren kann, um Profite zu erwirtschaften. Trotzdem schmücken sich Musk und Co. mit dem Image des Self-made man, der mit seiner Geschäftsidee und seinem Erfindergeist die Gesellschaft mit Innovationen beschenkt. Dieses Zerrbild weißt erstaunlich viele Parallelen zu den Magnaten aus dem 19. Jahrhundert auf. Sind wir als Menschheit also lernresistent?

Tatsächlich versuchte sich der US-amerikanische Staat relativ schnell nach dem Einsetzen dieser Entwicklung an einer Zerschlagung des Monopols von Microsoft. 1998 starteten Verhandlung im Federal Court House in Washington. Nach einem zweijährigen Verfahren lautete das Urteil, dass Microsoft zerschlagen werden soll. Doch Microsoft ging in Berufung und erlangte die Aufhebung der Zerschlagung. Das rasante Wachstum von Microsoft setzte sich fort.

Auch heute werden Maßnahmen zum Einschränken der Monopole ergriffen: 2020 hat die EU-Kommission den Digital Services Act und den Digital Markets Act angekündigt, durch die Tech-Monopole wie Google und Facebook kontrolliert werden sollen. 2023 wurde gegen Alphabet seitens des US-Justizministeriums das größte Kartellverfahren der letzten zwei Jahrzehnte eingeleitet.

Der Erfolg solcher Maßnahmen wird sich zeigen. Gates, Zuckerberg und Co. werden sich in ihrer Macht nicht freiwillig einschränken lassen und werden alles dafür tun, Bestrebungen dieser Art zu torpedieren – so taten es damals auch Rockefeller und Mitstreiter.

Mark Zuckerberg – geschätztes Vermögen: 104,4 Milliarden US-Dollar

Was bedeutet diese aktuelle Entwicklung für uns?

Der Medienwissenschaftler Douglas Rushkoff stand 2017 fünf Multimillionären und -milliardären aus der Tech- und Hedgefonds-Welt Rede und Antwort. Sein Fazit: „Da wurde mir klar, dass sie wirklich nur versuchen, genug Geld zu verdienen, um sich von der Wirklichkeit abzuschotten, die sie selbst erschaffen, in der Weise, wie sie ihr Geld verdienen“.

Klar ist, mit ihrer Wirtschaftsweise sorgen die Tech-Milliardäre für starkes, kurzfristiges Wachstum, die reale Welt leidet jedoch unter diesen Aktivitäten. Langfristig wird es nicht möglich sein, die Welt auf diese Art und Weise auszubeuten. Solange einem Oligopol kein Riegel vorgeschoben wird, werden die Profiteure weiter Einfluss auf die Gesellschaft und die Demokratie ausüben, um ihre eigene Macht zu festigen. 1917 führte das für die USA zu einer Teilnahme an einem Weltkrieg. Wohin wird es heute führen?


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Kommentare

2 Antworten zu „Dominanz der Wenigen: Die digitale Monopolisierung unserer Gesellschaft“

  1. Avatar von Lara Tovar
    Lara Tovar

    Ich wusste gar nicht, dass dies deine Website ist, ich dachte du bist Gastautor ^^. Richtig gute Artikel, die du schreibst.

    Ich finde noch beänstigender als das Marktmonopol ist das Überwachungsmonopol, welches sich Facebook, Google und co. aufgebaut haben.

    1. Avatar von Jan Tovar
      Jan Tovar

      Danke 😀 Ja, sehr besorgniserregend…

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